Schubladenbruch // London #2

schubladen

Ich sitze in der Bibliothek. Ja, hier geht es direkt richtig los. Es ist ernst, aber auch weil ich es ernst nehme. Weil ich wirklich will, nicht weil das alle so tun. Ich sitze also in der Bibliothek und schaue mich um. Das Treiben um mich herum ist faszinierend. Ich sehe 1000 unbekannte Gesichter und frage mich ob und wenn ja welches davon vielleicht bald schon kein Unbekanntes mehr sein wird. Ich bin immer noch ich, doch frage ich mich auch: wie werde ich mich hier entwickeln? Was denke ich in einem Jahr? Und welche Auswirkung hat dieser Platz hier darauf?

Neue Eindrücke, neue Gesichter, neue Identitäten. Diverser, unterschiedlicher. Gefühlt irgendwo freier, weniger Einheitsbrei. Es erweckt den Eindruck als würde hier jeder genauso akzeptiert wie er nun gerade ist. Ein Umfeld in das ich mich problemlos einfügen kann. Auf der anderen Seite: wer bin denn ich? In einer Masse in der alle ähnlich gekleidet sind, ähnliche Hintergründe haben ist es ein Leichtes sich als Teil der Gruppe zu fühlen: copy and paste. Mehr Freiheit bedeutet auch mehr Individuum, mehr Fokus auf die Ausprägungen einer jeden Persönlichkeit. Wahnsinnig spannend finde ich das. Welche Position werde ich hier einnehmen?

Doch, ist es überhaupt nötig eine Position einzunehmen? Ist es nicht vielmehr die Dynamik, die viele verschiedene Interessen begrüßt und keine feste Kontur zur Einordnung braucht, die dieses Umfeld hier so besonders macht? Das Schubladendenken, dass mich wahrscheinlich schon des Öfteren davon abgehalten hat interessiert auf jemanden zuzugehen, da ich anhand von Erfahrungen sowieso zu wissen glaubte, was für eine Art von Mensch da vor mir steht, werde ich hier durchbrechen. Hier so sitzend kommt mir dieses Schubladending reichlich bescheuert, aber auch sehr weit weg vor. Ich schaue mich um und finde mich umgeben von Menschen, die Fragen aufwerfen. Interesse flammt auf, weil meine Denkstruktur es nicht vermag sie in Schubladen zu stecken. 

19092016

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